Arbeitstitel: Authentisch Leiden. Mediale Formatierungen der Un-/Glaubwürdigkeit in Fällen sexualisierter Gewalt
Louise Haitz

Abstract:
Das Dissertationsprojekt nimmt die medialen Verhandlungen von sexualisierter Gewalt in den Blick. Dabei liegt der Fokus auf der Herstellung von Un-/Glaubwürdigkeit: wer ist ein un-/glaubwürdiges Opfer?; wer ist glaubwürdig betroffen?, welche Taterzählung wird (nicht-)geglaubt?, welche soziale Reaktion (Strafe? Milde? Zweifel?) wird für angemessen befunden? Hierbei wird untersucht, welche Akteure und Autoritäten die Stelle der Glaubwürdigkeit besetzen und welche Macht/Wissen-Relationen den Rahmen setzen, in dem eine Aussage als wahr und ein Subjekt als glaubwürdig in Erscheinung treten. Das heißt, die Frage der Glaubwürdigkeit wird in der Dissertation nicht beantwortet werden, sondern als Dispositiv begriffen und beschreibbar gemacht. Die medienwissenschaftliche These der Dissertation ist, dass die medialen Spezifika, das heißt Ästhetiken, Formate und Diskursordnungen bedingen wer glaubwürdig ist und wer nicht und damit bestimmen, wie in der heutigen Gesellschaft (in AT und BRD) mit der Realität von sexualisierter Gewalt umgegangen wird. Für die Analyse spielen hier etwa der Stil des Dokumentarischen auf Bildebene; mediale Verfahren, die Nähe und Distanz herstellen (Kameraeinstellung, Sound); die narrative Strukturierung der Vermittlung von Ereignissen etc. eine Rolle. Die medienspezifische Installation von Autoritäten und Macht/Wissen-Relationen als bedingender Rahmen der Un-/Glaubwürdigkeit wird mithin grundlegend als Effekt medialer Verfahren begriffen, die dispositiv- und medienanalytisch untersucht werden können. Die Dissertation wird verschiedene mediale Formate der Verhandlung sexualisierter Gewalt bearbeiten, die die Un-/Glaubwürdigkeit formatieren. Darunter fallen die TV-Talkshow, der Web-Blog und Selbsthilfepodcast, sowie der narrative und der dokumentarische Film.


Shame und Pain. Mediale Dispositive des Zuhauses im Kontext queerer Affekte
Stefan Schweigler (abgeschlossen 11/2023)

Abstract:
Es gibt künstlerische ebenso wie populärkulturelle mediale Phänomene, die sich auf kritische Weise queer neuerlich dem politischen Refugium der häuslichen Innerlichkeit annehmen, dabei aber weder homonormative Wohnträume, noch ‚Gay Pride‘ adressieren. Das Projekt untersucht jene Art von aktuellen, queeren und queerfeministischen medialen Praxen und Motiven des Zuhauses, der Privatheit und des Wohnens, welche Räume negativer Affekte und Gefühle artikulieren.
Die Arbeit entwickelt und verteidigt damit das Konzept und die Beobachtung eines Domestic Turns im Bereich queerer Politiken, der gegenwärtig prägend für Verständnisse von Widerstand im Queerfeminismus ist. Durch das Reflektieren der Geschichte häuslicher Medien antwortet die Häufung queerer Zuwendungen zu Bad Feelings auf ambivalente Entwicklungen im Wohnen (Smart Homes und Home Offices zum einen, Gentrifizierung, Prekarität und Depression zum anderen) sowie auf die Geschichte politischer queerer Affekte im Modus des Punk- bzw. Empört-Seins (Queercore) oder des freudvollen Proud-Out-Loud-Seins (Gay Pride).
Mit einem gemischten methodischen Zugang von Dispositivanalyse, Medienökologie und ANT-naher Passivitätstheorien versucht das Projekt den kritisch queeren Einsatz häuslicher Medien als eine spezifische techné (Rancière) zu verstehen, welche verglichen mit dem Smart Home als wesentlich andere Idee vom ,Connected Home‘ definiert werden soll, da diese queere techné ethische Konzepte poltitisiert.


Cinema of Relations: Emerging Film Cultures of Haiti
Doris Posch (abgeschlossen 12/2021)

Abstract:
Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit dem im Werden begriffenen Filmschaffen Haitis und der Diasporas und perspektiviert die Ästhetik einzelner rezenter Filme im Verhältnis zu ihrem kulturellen Stellenwert auf lokaler und globaler Ebene. Obwohl Forschung zu karibischem Kino aus kulturwissenschaftlicher Perspektive vorhanden ist, ist jene ausdrücklich zum Filmschaffen Haitis äußerst spärlich zu verzeichnen. Ziel des Dissertationsprojektes ist das Vergegenwärtigen der wenig sichtbaren Filmkulturen Haitis und deren Kontextualisierung innerhalb eines globalen Filmschaffens aus postkolonialer Perspektive.


Signs and hidden discourses. Presentation of sexuality in the post-revolutionary Iranian cinema (war-time period 1980 – 1988)
Farhad Bazyan (abgeschlossen 07/2022)

Abstract:
The cinema in Iran was strongly influenced by the political changes after the 1979 Iranian revolution. After the revolution, the new theocratic power began to change the functional role of cinema differently than in the past. Although there were still traces of hidden messages in the pre-revolution cinema due to the political and social situation, the newly imposed restrictions pushed Iranian cinema to new forms and content. Screenwriters and directors had to be more cautious about terms like sexuality. The incidence of sexuality, the core of which was formed during the Iran-Iraq war (1980-1988), continues to this day in Iranian cinema.
It is important to understand that sexuality and the demonstration of desire and affection in Iranian cinema are more than just what we see. This cinema, like others, is full of sexuality and eroticism, voyeurism and fetishism, gaze and lust, sadistic and masochistic behavior, hidden in visual form.
The importance of my dissertation is to obtain a better and deeper understanding of cinematic presentation of sexuality in the era 1980-1988 where a number of historic hidden signs entered the body of cinema, paintings and literature. The hidden signs that came into the body of the cinema were transformed and, with the subtext of all the cinematic genres of their time and after them, expanded.
In this dissertation I will examine these sexual semiotics of selected 8 films over the period from the early revolution to the late war. I will analyze the image codes rooted in Persian culture as well as their presence and appearance on the screen. Therefore, the selected films are divided into two groups each year. 1) propaganda cinema of war and 2) opposition cinema. This categorization will support the analysis of the film form based on the semiotics generated therein.
For a better understanding of these codes in Iran’s cinema, the proposed method in this dissertation is the Semiotics (based on Charles S. Peirce’s theory of signs, which had a great influence on literary, film and cultural studies in the second half of the 20th century.
The implication and the paraphrase of the cinematic image helps this dissertation to analyse the most prohibited subject in Iranian cinema; sexual presentation in the first years after Revolution and the effect of this period on the Iranian cinema up to now.


Post-postfeminist Moments? – Affektive Inszenierungsstrategien im Popfeminismus
Leonie Kapfer

Abstract:
Betrachtet man die derzeitige Medienlandschaft so fällt auf, dass sich feministische Themen einer neuen Beliebtheit erfreuen. Dies wird vor allem in der Populärkultur sichtbar (Keller/Ryan 2018, Banet-Weiser 2018). TV-Auftritte wie Beyoncé Knowles Performance bei den MTV Music Awards 2014 oder die #metoo-Bewegung zeugen davon, dass die „Desartikulation des Feminismus“ (McRobbie 2010) im aktuellen popkulturellen Diskurs zumindest teilweise ausgesetzt wurde.

Ich stelle daher in meiner Arbeit die Frage, ob die Theorien des Postfeminismus ausreichen, um den aktuellen Popfeminismus theoretisch fassen zu können, oder ob diese Theorien gegebenenfalls modifiziert werden sollten. Dabei soll auch analysiert werden, was den rezenten Popfeminismus von früheren popfeministischen Medienprodukten unterscheidet (Baldauf/Weingartner 1998) und welche Strategien zur Vermittlung feministischer Inhalte gewählt werden. Der Fokus dieser Arbeit liegt insbesondere darauf, wie feministische Themen auf affektiver Ebene verhandelt werden. Eine zentrale These meiner Forschung ist, dass gerade die affektive Inszenierung autobiografischer Inhalte auf die Relevanz des Feminismus aufmerksam macht. Wie ich zeigen möchte, dient vor allem die „Sichtbarkeit schlechter Gefühle“ dazu feministische Themen zu verhandeln (Eickelmann 2017:269). In Anlehnung an Judith Butler argumentiere ich, dass negative Emotionen, wie beispielsweise „verletzt sein“, Momente „kollektiver Handlungsmacht“ (collective agency) hervorbringen können (Butler 2016:7).


Figurationen der Störung – Medienkulturhistorische Perspektiven auf kleine Formen aktivistischer Intervention
Julia Preisker

Abstract:
Wenn Wahlen beeinflusst, Proteste organisiert oder Regierungen gestürzt werden, richtet sich der Blick nicht selten auf diejenigen, die diese gegenhegemonialen Umbrüche vollziehen. Aufrufe zu Protesten, zivilem Ungehorsam, die Beeinflussung von Wahlen, die Verbreitung von Informationen oder Desinformationen benötigt jedoch Techniken, über die jene Aktivitäten vermittelt werden können. Sie machen Störung und Irritation sichtbar und dienen der Vernetzung und der möglichen Vergrößerung der Protestgemeinschaft. Akte der Intervention sind entsprechend angewiesen auf materielle Vermittlungsinstanzen, die eine Artikulation ihrer Agitation ermöglichen. Dieses Promotionsvorhaben nimmt deshalb Medien von Intervention in Augenschein und befragt, inwiefern Intervention konstitutiv von medialem Einsatz abhängt.

Aus einer performativitätstheoretischen Perspektive wird das Konzept der kleinen Form im Kontext der Medienkulturwissenschaft produktiv gemacht. Anhand von historiographischen Materialstudien wird der Frage nachgegangen, auf welche Weise kleine Formen ein Moment der Störung hervorrufen. Indem die ›In-Form-Setzung‹ des Materials ins Kleine, Brüchige, Fragmentarische, Fluide selbst als Konstitutionsmoment von Intervention betrachtet wird, werden mediale Konstitutionsprozesse in den Vordergrund gestellt. Ziel der Arbeit ist es, Kontinuitäten und Diskontinuitäten der kleinen Formen der jeweiligen Analysegegenstände herauszuarbeiten. Damit wird die Herstellung von Intervention auch in diskursive Zusammenhänge eingebettet: sie unterliegt Vorstellungen etwa von Macht, Hegemonie und Selbstermächtigung, die auf mediale Konstitutionsprozesse einwirken, jedoch zugleich auch von medialen Spezifika, Ästhetik und Form betreffend, bedingt werden. Ausgehend von diesem Wechselverhältnis soll erarbeitet werden, wie kleine Formen ›Figurationen der Störung‹ konstituieren.


Posttelevisuelle Selbsttechnologien – Männlich-vergeschlechtlichende Subjektivierungen anhand rezenter (Fernseh-)Serien
Stefan Sulzenbacher

Abstract:
Das Dissertationsprojekt untersucht medien- und gendertheoretische Aspekte des aktuell vielbesprochenen Phänomens der (Fernseh-)Serien. Dabei gehe ich einerseits davon aus, dass posttelevisuelle „Quality“-Serien gegenwärtig privilegierte kulturelle Orte sind, an denen sich Aushandlungen sowie gegenseitige Konstitutions-, De- und Restabilisierungsprozesse von „Fernsehen“ und „Männlichkeiten“ beobachten lassen und andererseits davon, dass Männlichkeiten aktuell nicht nur als Motiv im Fernsehen ausgehandelt und (re-)definiert werden, sondern auch beim Fernsehen.

Der Fokus der Auseinandersetzung liegt deshalb auf männlich-vergeschlechtlichenden Subjektivierungen durch posttelevisuelle Selbsttechnologien, die zwar alltagsweltlich immer noch unter dem Begriff „Fernsehen“ subsumiert werden, jedoch nicht (mehr) an ein eindeutig bestimmbares Medium gebunden sind. Dabei werden unterschiedliche Bündelungen serienbezogener posttelevisueller Fernsehpraktiken untersucht, die dispositiv mit Diskursen und Materialitäten verschränkt sind. Der Gegenstandbereich wird daher unter männlichkeitskritischen, akteur_innen-netzwerk-theoretischen (ANT) und dispositivanalytischen Vorzeichen in den Blick genommen. Ziel des Projekts ist es, männlich-vergeschlechtlichende Subjektivierungen im Zusammenhang mit aktuellen serienbezogenen Fernsehpraktiken als Effekte posttelevisueller Selbsttechnologien zu beschreiben, die ihrerseits wiederum als Teil einer gegenwärtigen medialen Gouvernementalität verstanden werden.